Er müffelte schnell, stand stets im Weg und riss zuverlässig immer dann, wenn man es am wenigsten gebrauchen konnte. Und doch wird der Gelbe Sack uns fehlen.
In der legendären britischen Comedy-Serie Fawlty Towers gibt es die Figur des Kellners Manuel, der eigentlich ein dienstbarer Geist sein sollte, grundsätzlich aber alles verschlimmert. Der Gelbe Sack war der Manuel in unser aller Haushalte.
Anders als zum Beispiel die Schwämmchen aus Stahlwolle, mit denen sich Angebranntes von Topfböden kratzen lässt. Auch sie werden nie mit einem Gefühl der Zuneigung genutzt, aber wenn sie benötigt werden, versehen sie zuverlässig ihren Dienst und man freut sich, dass es sie gibt.
Der Gelbe Sack wurde nie anders als mit Geringschätzung, wenn nicht gar Verachtung bedacht. Schon allein deshalb, weil er als Sack nicht zu gebrauchen war. Die Folienstärke von fünfzehn Mikrometern war so ausgelegt, damit der Verbraucher nicht auf die Idee kommen sollte, die kostenlos ausgegebenen Säcke für andere Zwecke zu benutzen.
Genau dies machten viele Menschen natürlich trotzdem, es ging jedoch meistens schief. Die Säcke hielten halt nichts aus und rissen bei der kleinsten Kante widerstandslos ein. Mit Schimpf und Schande bedachte wurde indes nicht die eigene Gier, sondern: der Sack!
Dieser Text ist in der aktuellen Ausgabe des Magazins Der KLEVER erschienen, die für 3,50 Euro im Buch- und Zeitschriftenhandel (soweit geöffnet) erhältlich ist.
Im Laufe der langen Wochen, in denen der Sack sich für die ihm zugedachte Bestimmung anbot, wurde er ein Massengrab des Konsums, dessen Anblick von Tag zu Tag unappetitlicher wurde. Er schluckte leere Frischkäsepackungen, Nutelladeckel, Wurstfolien, Getränkeflaschen, Suppendosen, Erdnussdosen, Sahnebecher, Nudeltüten, und auch wenn einem daran gelegen war, mikrobiologische Eskalationen durch sorgfältiges Ausspülen des Leerguts zu verhindern, entwickelte der Gelbe Sack schnell ein Eigenleben.
Der Nutzer näherte sich dem Objekt mit zunehmendem Missbehagen, was dazu führte, dass die Neigung es auszutauschen sich umgekehrt proportional zur Füllung desselben entwickelte. Lieber noch eine Verpackung reinstopfen! Das Ergebnis war das sogenannte Gelber-Sack-Aneurysma, in dessen Folge sich die Verpackungen im ganzen Zimmer verteilten und ein erneutes, von Gefühlen des Ekels begleitetes Eintüten erforderten. Schuld war natürlich: der Sack!
Obwohl das System relativ einfach zu verstehen war, unterliefen einem unachtsamen Sack-User schon mal Füllfehler. Die Folgen waren in jedem Fall ärgerlich. Hatte man beispielsweise ein Getränkebehältnis entsorgt, das die Ahnung eines Pfandgeldes erweckte, konnte es gut sein, dass man morgens am Straßenrand in eine aufgerissene Tüte blickte, derweil der restliche Müll die gesamte Nachbarschaft beglückte und sich mit jeder Windböe weiter verteilte.
Noch ärgerlicher allerdings war es, wenn versehentlich etwas hinzugegeben wurde, das nicht für diesen Sack vorgesehen war. Dann ließen die Mitarbeiter der Umweltbetriebe der Stadt Kleve den Sack einfach stehen. Die ganze Straße leergeräumt, nur vor der eigenen Haustür steht ein Sack – so geht Schmach heute. Mal abgesehen davon, dass man sich weitere Wochen mit dem Anblick der eigenen Müllsammlung beschäftigen durfte.
In der Retrospektive wird wahrscheinlich kein Klever irgendein auch nur annähernd freudvolles Ereignis mit dem Gelben Sack verbinden. Insofern sollte sich eigentlich eine allgemeine Erleichterung breit machen, wenn die Umweltbetriebe der Stadt Kleve die filigrane Plastikhülle zum Jahresende aus dem Verkehr ziehen (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen) und stattdessen die robuste Gelbe Tonne einführen.
Und doch ist, wie bei so vielen Ritualen, die sich über die Jahre in unseren Alltag eingeschlichen haben, zu vermuten, dass der Wechsel nicht ohne ein Gefühl der Wehmut ablaufen wird:
Du wirst uns fehlen, du ungeliebter Sack!