kleveblog-Filmkritik: Was sagt uns Klevern der neue Imagefilm der Stadt?

Zu Gast in der eigenen Stadt: Familie Budde

Eine der vielen Seuchen des Internets ist das Genre des Imagefilms. Lächelnde Menschen, die zu Schwurbelmusik irgendwas machen, ab und zu ein paar Drohnenaufnahmen, dazu ein Sprecher, der sich in abgegriffenen Phrasen behaglich eingerichtet hat. Insofern durfte man gespannt sein, als die Stadt Kleve heute vermeldete, dass nun auch sie – endlich, ihrer Meinung nach – das Internet mit einem solchen Streifen bestücken kann.

Grundsätzlich sei vorab die Frage gestattet, ob der Zeitpunkt der Veröffentlichung so gut gewählt ist, denn der Film zeigt logischerweise Menschenansammlungen, Kunden in Geschäften, Gäste in Restaurants, Besucher von Konzerten und und und. Alles Dinge, die offenbar noch vor Corona gedreht worden sind. Man merkt den Szenen die Unbeschwertheit der Vorseuchenzeit gut an, weshalb sie zumindest in den kommenden Monaten vor allem ein Stirnrunzeln auslösen dürften. Vermutlich wollten die Verantwortlichen nicht das ganze Geld in die Mülltonne werfen, und so entschied man sich, den Streifen einfach rauszuhauen. Vielleicht wollten sie auch einfach in diesen trüben Tagen ein wenig Optimismus verbreiten, man weiß es nicht.

Entstanden sind jedenfalls ein fünfminütiger Hauptfilm sowie sechs sogenannte Themenfilme von jeweils rund anderthalb Minuten Länge. Die Themenfilme recyceln einiges an Material aus dem Hauptfilm und bringen es in einen neuen Zusammenhang, beispielsweise „Bauen und Wohnen“, einem Film, in dem dann allerdings bemerkenswerterweise nichts zu den beiden Themen gesagt wird.

kleveblog hat sich den Hauptfilm näher angeschaut – und gibt hier eine bebilderte Einführung in das erstaunliche Werk:

Vorschriften, die nicht mehr existieren, werden auf Wegen, die unlogisch sind, eingehalten

Der Film beginnt mit einer jungen Frau, die das Haus verlässt und sich des Lebens in Kleve erfreut: „Ich liebe den Moment, wenn ich morgens aus dem Haus gehe. Der Blick auf die Schwanenburg und das Vogelgezwitscher machen mir immer gute Laune.“ Dazu blickt sie in einem Winkel von ca. 45 Grad nach links oben, bevor sie aufs Rad steigt und zur Arbeit fährt. Am Ende der Stechbahn steigt sie ab und läuft durch die Fußgängerzone zu ihrem Arbeitsplatz im Hotel Rilano. Vor dem Eingang stellt sie ihr Fahrrad ab, steckt sich ihr Namensschild an und empfängt an der Rezeption Gäste.

Abschließen, warum? Kleve ist eine Insel der Seligen

Die ganze Szene ist von vorne bis hinten Quatsch. Wenn die junge Frau über die Stechbahn zur Arbeit fährt, wohnt sie vermutlich irgendwo im Bereich der Oberstadt. Um nach links oben zur Schwanenburg zu blicken, insbesondere in der gezeigten Perspektive, müsste man (beispielsweise) in den Galleien wohnen, was die Nutzung der Stechbahn zu einem Akt des Wahnsinns machen würde.

Unterstellen wir also Oberstadt. Da sie ihrer eigenen Aussage zufolge „morgens“ zur Arbeit fährt, müsste sie gar nicht absteigen, Radfahrer dürfen bis 11 Uhr die Fußgängerzone nutzen. Oder sie nähme die Heldstraße, das wäre jedenfalls die bessere Alternative.

Zu allem Überfluss haben die Filmemacher auch noch ein Streckenstück des Europa-Radwegs eingeschnitten, was nun überhaupt keinen Sinn ergibt. Am Ende der Fahrt stellt sie das Rad vor dem Eingang des Hotels ab, was ein absolutes Novum ist, weil dort nie Räder stehen. Das weiß auch das Filmteam, denn das Fahrrad wird gar nicht abgeschlossen.

Ab Sekunde 43 beginnt die Arbeit der jungen Frau. Sie empfängt Hotelgäste. Niemand verlangt an dieser Stelle echte Gäste, aber als halbwegs wissender Klever fällt man natürlich vor Lachen erst einmal vom Stuhl, wenn man die Gäste als Familie Budde aus Kleve erkennt – Vater André war mal Karnevalsprinz. Dass er mit Frau und Kind im Hotel eincheckt, verwundert etwas, aber das kann der auswärtige Betrachter natürlich nicht wissen.

In der folgenden dreiviertel Minute nutzt Familie Budde das Freizeitangebot der Draisine, und der Betrachter kann sich mit ihr über die Schönheit der Klever Landschaft freuen. In Minute 1:26 fährt das Trio nach rechts aus dem Bild, und wir sehen es nie wieder.

Rechts aus dem Bild und tschüss!

Dafür jetzt: das Museum (mit Professor Harald Kunde). Die Tierskulpturen von Mataré bilden den Übergang zum Tiergarten. Nach 3 Minuten kommt dann der Radtourismus ins Spiel, bevor kurze Zeit später Professor Megill von der Hochschule Rhein-Waal (echt im Kittel) ein U-Boot-Modell in einem Bassin zu Wasser lassen darf.

Training milden Licht des Sonnenuntergangs in der halbfertigen Stadionumgebung

Der Rest des Films geht dafür drauf, dass mitgeteilt wird, dass es in Kleve verschiedene Schulen gibt und außerdem wird Fußball gespielt: „Teamgeist wird in Kleves Vereinswelt großgeschrieben.“ Ach. Trainiert wird im Stadion, vermutlich eher unüblich. Ein Fehlschuss wird per Drohne zur Schwanenburg und in den Königsgarten verlängert und landet dort bei sechs jungen Menschen und einem Tablet am Tisch. Die Stimme aus dem Off: „Wer die vielfältigen Angebote der Stadt kennenlernen oder gemeinsam mit Familie oder Freunden etwas unternehmen möchte, kann sich mit dem Online-Veranstaltungskalender einen Überblick verschaffen.“

Junge Menschen im Königsgarten informieren sich auf einem Tablet über die vielfältigen Freizeitmöglichkeiten der Stadt. Der junge Mann rechts macht Schleichwerbung für einen privaten Treffpunkt, von dessen Besuch er auch schon zu träumen scheint.

Das macht dann eine junge Frau auf einem Samsung-Tablet, auf dem dann zu der rätselhaften Schlusseinstellung übergeblendet wird. Von einer Drohne aus gefilmt bilden Menschen auf einer Wiese den Schriftzug Kleve, dazu heißt es: „Kleve ist einfach immer lebenswert.“ Rund 50 Menschen aber beteiligen sich nicht an der Bildung des Schriftzugs, sondern wenden sich von diesen Menschen ab – was soll uns das sagen?

Kleve – der Imagefilm: FSK 0, frei auf YouTube verfügbar. Auf IMDB noch nicht bewertet

Kleve. Nicht alle gehören dazu. Das kennt man.
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