„Die ganze Wohnung war ein Museum“ – als im Kurhaus noch Kohleöfen bullerten

Echtes vs. Katalogleben

Dass in Kleve alles mit allem zusammenhängt, ist keine so große Neuigkeit, aber wenn man sich dann tatsächlich in diesem Netz verheddert, so staunt man doch. In der neuen Ausgabe des Magazins Der KLEVER sind einige Fotos des niederländischen Möbelherstellers Leolux zu sehen, die die Räume des Museums Kurhaus als Kulisse für die Sitzlandschaften des Unternehmens nutzen. Statt Gemälden und Skulpturen Sofas und Beistelltische, auch nicht das Schlechteste, denkt der Betrachter.

Eine der Autorinnen des Magazins ist die geschätzte Helga Diekhöfer. Sie schreibt zudem für die Zeitschrift Kunstfreund, die – das Jahresende ist bekanntlich die Hochzeit für Publikationen – soeben in einer neuen Ausgabe erschienen ist. Darin aber findet sich, ausgerechnet aus der Feder von Helga Diekhöfer, eines der wohl bemerkenswertesten Interviews des Jahres – und das kreist, wiederum ausgerechnet, um eine Zeit, als die Räume des jetzigen Museums tatsächlich als Wohnung genutzt wurden.

Die zu dem Interview gezeigten alten Fotos dokumentieren Gemälde, Skulpturen und Sofas und Beistelltische sowie Kohleöfen in großen Mengen, denn es war die Familie des kunstsinnigen Stadtarchivars Friedrich Gorissen, die im Obergeschoss wohnte. Wie sich dieses Leben gestaltete, dokumentiert das Interview von Helga Diekhöfer mit Helga Gorissen-Peters, dem jüngsten der acht Kinder Gorissens.

In einer Antwort schildert sie, wie die Kinder das Haus erlebten: „Wir hatten kein Kinderzimmer in dem Sinne: Wir hatten nach hinten zur Forstgartenseite raus eine eigene Wohnung. Wegen der Ausrichtung nach Westen gab es zwischen Mutter und mir Dialoge der Art: ‚Kind war, wo gehst du hin?‘, Und ich darauf: ‚Nach Donsbrüggen.‘“

„‚Donsbrüggen‘ war eine Zimmerfolge mit Wohnraum, Schlafzimmer und einer Dunkelkammer, wie wir den großen Raum ohne Tageslicht nannten. Der diente schließlich dazu, unsere Winter- oder Sommergarderobe zu bewahren. Etwas lästig hingegen waren die Öfen in jedem Raum, die mit Briketts versorgt werden mussten. Und ich war diejenige, die die Kohle-Eimer im Keller zu befüllen und hoch zu tragen hatte. Beim Heizen musste gespart werden. Daher waren in der ganzen Wohnung nie mehr als zwei Öfen gleichzeitig an. Ziemlich ungemütlich! Einen Vorteil hatte das ganze allerdings: Ich war so abgehärtet, dass ich nie krank war. Ich konnte mit Kniestrümpfen in die Schule gehen – ganzjährig. […] Die ganze Wohnung war ein Museum! Petersburger Hängung! Es gab nur antiquarische Möbel und Kronleuchter statt Lampen. Meine Freundinnen fanden das ganz schön beeindruckend. […] Unsere Küche war beispielsweise satt-braun. Es gab kein Geld fürs Streichen. Nie! Auch der alte Backofen wurde nicht ausgetauscht. Ich bekam kein Taschengeld und erst recht keine neuen Kleider. Während die anderen Kinder aus der Klasse damals zur BiBa-Boutique einkaufen gingen und Jeans bekamen, setzte sich unsere Mutter an die Nähmaschine und macht aus den Stoffen abgetragener Kleider meiner älteren Schwester neue für mich.“

Beuys im Gespräch mit dem Ehepaar Gorissen

Sehr lesenswert, das Heft selbst geht den Mitgliedern des Vereins Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve zu und liegt an den Kassen der Museen aus. Da diese während des Lockdowns geschlossen haben, können Interessierte sich auch per Mail an diekhoefer@freunde-klever-museen.de wenden. Für die Gestaltung des Magazins zeichnet der Künstler Janusz Grünspek verantwortlich.

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